Das Drehbuchforum Wien, das Österreichischen Filminstitut/gender*in*equality und
FC GLORIA Frauen Vernetzung Film freuen sich sehr, die Preisträger*innen der ersten Wettbewerbsstufe (vom Exposé zum Treatment) von IF SHE CAN SEE IT, SHE CAN BE IT bekannt zu geben:
Iris Blauensteiner mit Gelbe Blätter
Aus den fünf Finalist*innen der ersten Wettbewerbsstufe wurde die Preisträgerin mit dem Hauptpreis von 15.000,- Euro plus dramaturgischer Begleitung ausgezeichnet! Wir gratulieren der Preisträgerin sehr herzlich und möchten alle Nominierten zur Weiterentwicklung ihrer spannenden Treatments ermutigen!
Die Wettbewerbs-Finalist*innen waren:
• Iris Blauensteiner mit Gelbe Blätter
• Johannes Bültermann mit Die Abwesenden und die Übriggebliebenen
• Magdalena Chmielewska und Andreas Schiessler mit Olka
• Mario Karner mit Andrea, the Giant
• Antoinette Zwirchmayr mit Ich bin mein Versteck
Wir danken der fünfköpfigen Jury:
Barbara Albert, Drehbuchautorin und Regisseurin
Nike Glaser Wieninger, Filmemacherin, Kuratorin, Beraterin
Lukas Miko, Schauspieler
Lydia Mischkulnig, Schriftstellerin, Kolumnistin
Lisa Terle, Drehbuchautorin, Preisträgerin des Vorjahres
Die feierliche Preisverleihung fand am Dienstag 4.6.2019 im Filmcasino in Wien statt.
Zum inspirierenden Auftakt sprach Jessica Hausner und ihre Co-Autorin Geraldine Bajard mit Wilbirg Brainin-Donnenberg über die Entwicklung ihrer Frauen*figuren, das Drehbuchschreiben und ihre Rolle als Produzentin. Das aufschlussreiche Gespräch ist als Audiofile im Archiv > nachzuhören.
Die Jurybegründung, die Biografie der Gewinnerin, Biografien der Nominierten und der Jurymitglieder und alle weiteren Infos zum Wettbewerb finden Sie auch in der Pressemappe >
Die Gewinnerin des Hauptpreises
Iris Blauensteiner für Gelbe Blätter
Logline
Gelbe Blätter ist eine zarte, warme Geschichte über die Anziehung zwischen Yulia, 32, und Arthur, 32. Nachdem sie sich online kennengelernt haben, besuchen sie einander in Wien und Kiew. Sie wagen mit ihren Wahrnehmungen der zerbrechlichen Beziehungen zwischen Internet und Realität ehrlich zueinander zu sein und sind überrascht, dass das, was sie tief verbindet nicht in der gemeinsamen Gegenwart, sondern in beider Vergangenheiten liegt.
Jurybegründung
Was bedeuten Nähe und Intimität im virtuellen Raum? Oder um mit den Worten aus dem Statement der Autorin zu sprechen: wo und wie ist Wärme zwischen digitalen Illusionen und echten Begebenheiten vice versa möglich?
Yulia lebt mit ihrer kleinen Tochter und ihrer Mutter auf engstem Raum in einer Hochhaussiedlung in Kiew. Wie Millionen Menschen, die in der Anonymität unserer Zeit im Netz sinnliche Erfahrungen suchen, lädt auch Yulia selbst erstellte Videos auf Youtube.
Diese sogenannten ASMR-Videos verschaffen über Ton und Bild eine synästhetische Entspannungserfahrung. Prompt erhält sie schon auf ihr erstes Video Antwort von Arthur, der in einem Wiener Coworking-Space eigene Apps entwickelt. Die beiden beschließen aus Virtuellem eine reelle Erfahrung zu machen. Yulias Reise vom Osten in den Westen dauert länger als ihr Aufenthalt in Wien. Zwei Begegnungen in der Realität des jeweils anderen und geprägt von den ökonomischen und politischen Bedingungen der beiden gegensätzlichen Leben erzählen von Nähe und Distanz. Arthur erfährt in Kiew eine Korrektur seiner Projektionen. Yulias Alltag ist bestimmt von Kriegstraumata. Während Arthur von einem schon länger zurückliegenden Verlust Narben behalten hat, ist Yulias seelische Wunde noch frisch. Die beiden kommen einander so nah wie es ihnen möglich ist. Sie entdecken die vermeintlich vertraute eigene Welt neu, indem sie sie dem/der anderen zeigen. Das schöne, ambivalente Ende spiegelt den tiefen Wunsch nach Verbundenheit wider, birgt aber auch die Möglichkeit des Scheiterns.
Schon das Exposé erweckte große Erwartungen, die im Treatment eingelöst werden. Eine poetische, als auch prägnante Bildsprache, eine fein modellierte Tonebene, Komplexität und Präzision in Figurenzeichnung und in den Dialogen überzeugen.
Die Autorin verfügt über ein großes Bewusstsein für persönliche, politische und gesellschaftliche Hindernisse, die Yulia und Arthur aus dem Weg räumen müssen, um einander wirklich zu begegnen. Der Mut, auf Zynismus zu verzichten und eine zeitgenössische Liebesgeschichte zu erzählen, ist ein Kontrapunkt im gegenwärtigen filmischen Erzählen. Nichts wird behauptet, alles wird gezeigt. Die Autorin bleibt dabei immer unprätentiös.
Yulia erfindet Welten und Geschichten, zuerst für ihre Tochter, dann für sich selbst und schließlich auch für Arthur, um den Alltag lebbar zu machen. Yulias Blick ist autonom, kämpferisch, zärtlich, mutig und nicht wertend – genau wie der Blick der Autorin selbst.
Iris Blauensteiner
Geboren 1986 in Wien, lebt ebenda.
2016 Diplom an der Akademie der bildenden Künste Wien (Kunst und digitale Medien)
2011 Diplom der Theater-, Film- und Medienwissenschaften an der Universität Wien
2009/10 Studium an der Universität für Angewandte Kunst Wien (Sprachkunst)
Filme (Auswahl): die_anderen_bilder, Rast, Schwitzen
Preise (Auswahl): Förderpreis für Literatur der Stadt Wien 2018, ArtStart-Stipendium (Akademie der bildenden Künste Wien) 2018, Startstipendium für Filmkunst des BKA 2014.
Mit einer erneut erfreulich großen Teilnahme ging der Drehbuchwettbewerb If she can see it, she can be it in die dritte Runde. Ganz offensichtlich gibt es viele spannende Ideen und großes Interesse an diesem Thema. Durch den Drehbuchwettbewerb fühlen sich viele Autor*innen ermutigt, bewusst differenzierte Frauen*figuren zu entwickeln und andere Geschichten zu erzählen.
Die Einladung an Autor*innen, Frauen*figuren ohne Stereotypien zu entwickeln, brachte ein vielfältiges Spektrum von Charakteren und Genres zu Tage – u.a. Thriller, Drama, Komödie, Coming of Age, Sience Fiction, Film Noir, Feelgood-Movies, Heimatfilm, Horror, Kriminalfilm, Episodenfilme, Gesellschaftssatire und Literaturadaptionen. Die eingereichten Geschichten handeln von Frauen, die als Wissenschaftlerinnen die Welt retten, für den Widerstand kämpfen, in den Krieg ziehen oder sich als Zuhälterin einen Namen machen. Die behandelten Themen sind unter anderem Solidarität, Protest, Zwangsheirat, politischer Widerstand, Migration, Liebe, Familie, Religion, Feminismus und Zusammenhalt und Spurensuche. Die unterschiedlichen Schauplätze reichen von der Antike in Troja über das 18. Jahrhundert in den Kärntner Alpen bis zu einer Zukunftsvision im Weltraum. Die hohe Zahl der eingereichten Exposés konnte belegen, dass es viel Interesse und viele Ideen gibt, sich mit der Zielsetzung des Wettbewerbs auseinander zu setzen.
Der 2016 initiierte zweistufige Drehbuchwettbewerb unterstützt Autor*innen bei der Entwicklung innovativer Frauen*figuren mit dem Ziel mehr Vielfalt, Lebendigkeit und neue Vorbilder in die Drehbücher und damit auch in die österreichischen und internationalen Kinos zu bringen. Mit einer gezielten Förderung von Drehbuchautor*innen bei der Entwicklung von Frauen*figuren jenseits der Klischees wollen das Drehbuchforum Wien und das Österreichische Filminstitut dazu beitragen, dass heimischen Autor*innen ihre Ideen in einem finanziell abgesicherten Rahmen frei ausarbeiten können, ohne (wie oft üblich) in Vorleistung zu gehen und ohne sich an vermeintlichen Erfolgsrezepten orientieren zu müssen. Nach dem großen Erfolg und dem positiven Echo der Branche in den letzten beiden Jahren wird der Drehbuchwettbewerb nun ein drittes Mal durchgeführt.
Aus der hohen Zahl von 53 eingereichten Exposés (davon 79% von Frauen) wurden in der 1. Stufe 5 Exposés von einer hochkarätigen Jury ausgewählt und bei der Preisverleihung im November mit einem Preisgeld von je 5.000 Euro und einer zusätzlichen dramaturgischen Begleitung prämiert. In der 2. Stufe wählte die Jury aus den fünf entstandenen Treatments den mit 15.000 Euro dotierten Hauptpreis aus. Damit ist der Preis einer der höchstdotiertesten Drehbuch-Entwicklungspreise der heimischen Branche und setzt ein klares Zeichen für eine positive Veränderung von Frauen*figuren auf der Leinwand.
Zusätzlich erhielten 16 weitere Exposés die Gelegenheit im Rahmen eines Pitchings am 28.11.2018 Produzentinnen und Producerinnen vorgestellt zu werden. Die Pitching-Veranstaltung war eine Kooperation von Drehbuchforum Wien, FC GLORIA – Frauen Vernetzung Film, Film Fatale – Interessensgemeinschaft österreichischer Producerinnen & Produzentinnen, Propro Produzentinnenprogramm und Österreichisches Filminstitut/gender*in*equality.
Jury
Die hochrangige Jury setzt sich wie folgt zusammen:
Barbara Albert (Drehbuchautorin und Regisseurin, AT/DE)
studierte Regie und Drehbuch an der Wiener Filmakademie. Nach ersten international erfolgreichen Kurzfilmen feiert ihr erster Langspielfilm Nordrand 1999 im Wettbewerb der Filmfestspiele Venedig seine preisgekrönte Uraufführung. Im selben Jahr gründet Barbara Albert, gemeinsam mit Martin Gschlacht, Jessica Hausner und Antonin Svoboda, die Produktionsfirma coop99. Als Autorin arbeitet sie in Folge mit Jasmila Zbanic, Andrea Staka, Ruth Mader und Michael Glawogger zusammen.
Nach Böse Zellen, Fallen und Die Lebenden, Wettbewerbsbeiträge in Locarno, Venedig und San Sebastian, wurde ihr fünfter Spielfilm, Licht, im September 2017 im Wettbewerb von San Sebastian präsentiert.
Barbara Albert ist Gründungsmitglied der Akademie des Österreichischen Films und Preisträgerin des Österreichischen Kunstpreises. Sie ist Professorin und Vizepräsidentin an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf.
Sie lebt und arbeitet mit ihrer Familie in Berlin und Wien.
Nike Glaser Wieninger (Filmemacherin, Kuratorin, Beraterin, AT)
studierte Medizin und Kunstgeschichte in Wien. Nach 25 Jahren erfolgreicher Tätigkeit als freischaffende Filmemacherin, Medienproduzentin und -kuratorin gründete sie 2004 die Produktionsfirma „…schöne Söhne“, deren Schwerpunkte die Entwicklung und Produktion genreübergreifender Laufbildmedien und medienkritische Ausstellungskonzeptionen sind. Wobei die Herangehensweisen grundsätzlich von den relevanten Entwicklungen der Cultural Studies geleitet sind. In den letzten Jahren widmet Nike Glaser Wieninger ihre Zeit neben freiberuflichen museumskuratorischen Aufgaben dem Beirat für Filmförderung des Bundeskanzleramts und dramaturgischen Beratungen.
Lukas Miko (Schauspieler AT/DE)
erlangte 1994 als Hauptdarsteller in Michael Hanekes 71 Fragmente einer Chronologie des Zufalls Bekanntheit, in der Folge arbeitete er u.a. als Ensemblemitglied am Münchner Residenztheater und am Wiener Burgtheater.
2013 spielte er in zahlreichen Kinofilm-Produktionen, so in Im Labyrinth des Schweigens (Regie: Giulio Ricciarelli), dem deutschen Oscar-Beitrag von 2016. Weiters in dem vielfach prämierten Film Die beste aller Welten (Adrian Goiginger, 2017), in Die Nacht der 1000 Stunden (Virgil Widrich, 2016), in Licht (Barbara Albert, 2017) und in Angelo (Markus Schleinzer).
Nach TV-Produktionen wie Opernball (Urs Egger, 1997) und Spiel im Morgengrauen (Götz Spielmann, 2001) brillierte Lukas Miko 2015 in David Schalkos Serie Altes Geld. Zuletzt stand er für eine Folge von Spuren des Bösen (Andreas Prochaska) vor der Kamera und wird demnächst in den TV-Serien Der Pass (Cyrill Boss, Philipp Stennert) und in Charité (Anno Saul, zweite Staffel) zu sehen sein.
2018 wurde Lukas Miko mit dem Österreichischen Filmpreis als „Bester Nebendarsteller“ für seine Rolle in Die beste aller Welten ausgezeichnet. Auch als Filmemacher hat er reüssiert: sein Kurzfilm Das gefrorene Meer wurde u.a. mit dem Deutschen Kurzfilmpreis 2007 ausgezeichnet.
Lydia Mischkulnig (Schriftstellerin, Kolumnistin, AT)
Mischkulnig studierte Bühnenbild an der Universität für Musik &darstellende Kunst/Graz, danach an der Filmakademie/ Wien. Hinwendung zur Literatur: Halbes Leben, Roman Graz 1994; Hollywood im Winter, Roman Wien/Innsbruck 1996; Sieben Versuchungen, Erzählungen München 1998; Umarmung, Roman München 2002; Macht Euch keine Sorgen, Erzählungen, Innsbruck/ Wien 2009; Schwestern der Angst, Roman Wien / Innsbruck 2010; Vom Gebrauch der Wünsche, Roman Wien/ Innsbruck 2014; Die Paradiesmaschine, Erzählungen Wien/ Innsbruck 2016. Kolumnistin, Herausgeberin, Konzeptionistin von Gesprächsreihen.
Sie ist Lehrbeauftragte an in- und ausländischen Universitäten, Gastprofessuren, Schreibseminare. Unter anderem erhielt sie folgende Preise: Bertelsmann Literaturpreis beim Ingeborg Bachmannpreis 1996, Manuskriptepreis 2004, Elias Canetti Stipendien 2007/2014, Veza Canetti Preis 2017, Johann Beer Preis 2017
Lisa Terle (Drehbuchautorin, Vorjahres-Gewinnerin, AT)
wurde am 11.03.1983 in Klagenfurt geboren. Nachdem sie sich im Laufe ihrer Schulzeit an der HTL für Kunst und Design in Graz schon für den Beruf der Drehbuchautorin entschieden hatte, lernte sie seit 2007 an der Filmakademie in Wien im Buch und Dramaturgie – Studium das nötige Handwerk. 2011 wurde Sohn Nils geboren. Seither war Lisa Terle als freie Journalistin sowie Lektorin tätig. Zu ihrer großen Freude durfte sie in der 2. Ausgabe des Drehbuchwettbewerbs „If she can see it, she can be it“ im vergangenen Jahr den Hauptpreis entgegennehmen und kann sich nun mit mehreren Projekten ganz dem Drehbuchschreiben widmen.