IF SHE CAN SEE IT, SHE CAN BE IT

Frauen*figuren jenseits der Klischees


Der Hauptpreis geht an Alexandra Makarová

Alexandra Makarová gewinnt mit ihrem Treatment Perla den Hauptpreis des zweistufigen Drehbuchwettbewerbs IF SHE CAN SEE IT, SHE CAN BE IT. Sie zeichnet darin eine kraftvolle, ambivalente Frauenfigur, zerrissen zwischen ihrer Vergangenheit hinter dem Eisernen Vorhang und dem verzweifelten Versuch, sich eine neue Existenz zu erkämpfen. Makarová erhält für die Erarbeitung eines Drehbuchs 15.000 Euro und zusätzlich dramaturgische Begleitung.

Jurybegründung

Anfang der 80er-Jahre in Europa, mitten im Kalten Krieg. In Wien lebt eine tschechoslowakische Dissidentin mit ihrer kleinen Tochter, reibt sich zwischen Kunststudium und Barjobs auf und stillt ihren Lebenshunger mit verschiedenen Affären. Doch eines Tages holt sie ihre Vergangenheit ein, vor der sie aus der CSSR geflohen ist und innerlich in Wien noch täglich flieht.
Kann sie ein „neues Leben“ beginnen und damit ausradieren, was vorher passiert ist? Was heißt es, eine alleinerziehende Frau in den 80er Jahren in Wien zu sein, noch dazu eine sogenannte „Fremde“? Wie prägt die Erfahrung von Diktatur und Verfolgung das Leben in der vermeintlichen Freiheit? So unterschiedliche Fragen stellt dieser vielschichtige Entwurf für einen Kinofilm, der eine Zeit reflektiert, die Europa bis heute maßgeblich prägt. Der gesellschaftliche Druck, der sich im privaten Schicksal der Hauptfigur niederschlägt, entlädt sich dabei in impulsiven, emanzipatorischen Handlungen, mit denen sie sich immer wieder Luft verschafft.

Die Autorin zeichnet hier eine kraftvolle, ambivalente Frauenfigur; zerrissen zwischen ihrer Vergangenheit hinter dem Eisernen Vorhang und dem verzweifelten Versuch, sich eine neue Existenz zu erkämpfen; zerrissen aber auch zwischen der Mutterrolle und ihrer Kunst, zwischen der Sehnsucht nach Geborgenheit und der Versicherung der eigenen Freiheit. Wir sehen eine Frau, die an vielen Fronten um ihr Leben kämpft und darum, eine Schuld zu verdrängen. Eine Frau, die keine „reine Heldin“ ist, sondern Ecken und Kanten hat, Licht und Schatten – und eine unbändige Energie.
Differenziert und leidenschaftlich, historisch präzise und zugleich weit über die Zeit hinausreichend hat die Autorin mit Perla eine Frauenfigur und eine Geschichte geschaffen, die berührt und provoziert, bewegt und Fragen stellt und in einen spannenden, gekonnt entwickelten Plot gegossen ist.

Perla

Wien, die frühen 1980er Jahre. Perla, eine tschechoslowakische Dissidentin und alleinerziehende Mutter, führt eine stabile Beziehung mit dem österreichischen Tibetologen Josef. Als sie einen Anruf ihrer todkranken Jugendliebe aus der Heimat bekommt, der sie zurücklocken will, setzt sie damit nicht nur ihre neu aufgebaute Existenz sondern auch ihre Freiheit aufs Spiel.

Alexandra Makarová

Alexandra Makarová, geboren 1985 in Košice, Slowakei. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs zieht sie zu ihrer Mutter, einer Malerin, nach Wien. Studierte am Filmcollege Wien Drehbuch und Regie. Ihre Filme liefen auf internationalen Filmfestivals. Zerschlag mein Herz, ein Drama über in Wien bettelnde slowakische Roma, war ihr Debütfilm.
Makarová arbeitet als Filmemacherin in Wien.


Luz Olivares Capelle erhielt mit Institut für Probleme der Präsenz eine Lobende Erwähnung.

Die hochkarätige Jury hat aus 75 eingereichten Exposés fünf ausgewählt, die in der zweiten Stufe um den Hauptreis nominiert waren und je 5.000 Euro und dramaturgische Begleitung zu Weiterentwicklung zum Treatment bekamen:

  • Alexandra Makarová mit Perla
  • Raphaela Möst mit Karolina
  • Luz Olivares Capelle mit Institut für Probleme der Präsenz
  • Olivia Lauren Requat mit Mutterland
  • Calvin Trosien mit Der letzte Engel

 

Wir danken der fünfköpfigen Jury:

  • Iris Blauensteiner (Filmemacherin, Autorin, Preisträgerin des Vorjahres)
  • Elisabeth Gabriel (Filmdramaturgin, Theaterregisseurin)
  • Barbara Gräftner (Drehbuchautorin, Regisseurin)
  • Giona Nazzaro (Kurator, Leiter Venice International Film Critic’s Week)
  • Karina Ressler (Editorin)

 

Zum Auftakt und als Anregung gab es eine Stand-Up Performance von Stefanie Sourial. Als Performance-Künstlerin kreiert Sourial ihre eigenen Soloprojekte, sie arbeitet als schaffende Performance-Künstlerin in Wien und lehrt an der Akademie der bildenden Künste Wien im Fachbereich für Performative Kunst.

 

Pressemappe mit Details zu den Stoffen, den Autor*innen und der Jury >

Sie können die Hauptpreisverleihung als Videostream auf unserem Youtube-Kanal nachzuschauen >


Rückblick

Seit 2016 wurden 290 Exposés aller Genres von 74% Frauen* und 26% Männern* eingereicht. 20 Drehbuchautor*innen wurden in diesem Zeitraum in der 1. Stufe (Exposé) mit jeweils 5.000 Euro ausgezeichnet. Bei dem Pitching mit Produzentinnen und Producerinnen konnten in den letzten vier Jahren 79 Stoffe teilnehmen.

Bis jetzt wurde vier Mal der Hauptpreis aus den in Folge entwickelten Treatments vergeben: Katrina Daschner mit Golden Shadow – vormals Wanda und Nikita, Lisa Terla mit Trude, Iris Blauensteiner mit Gelbe Blätter und Alexandra Makarová mit Perla. Der Preis unterstützt Autor*innen bei der Entwicklung innovativer Frauen*figuren mit dem Ziel mehr Vielfalt und neue Vorbilder in die Drehbücher und damit auch in die österreichischen und internationalen Kinos zu bringen.

Konzept

drehbuchFORUM Wien (Wilbirg Brainin-Donnenberg) in Kooperation mit dem Österreichischen Filminstitut gender*in*equality (Iris Zappe-Heller) und FC GLORIA Frauen Vernetzung Film.
Organisation: drehbuchFORUM Wien.


Preisträger*innen der 1. Wettbewerbsstufe

Am Mittwoch Abend, dem 4. Dezember 2019, fand die feierliche Preisverleihung der ersten Runde des zweistufigen Drehbuchwettbewerbs IF SHE CAN SEE IT, SHE CAN BE IT im Filmcasino in Wien statt.
Musikalische Begleitung: Isabella Forciniti
Im Anschluss luden wir zu Cocktails, Wein und kleinen Imbissen.

 

Nina Kusturica war die bejubelte Impulsrednerin des Abends, die das Publikum zunächst mit Anekdoten des eigenen Lebens unterhielt und lockte, um dann in die immer noch deutliche Kluft zwischen „nichtweißen“, diversen Akteur*innen in der Filmbranche und ihren Kolleg*innen auf den Schauspielschulen und Akademien einzutauchen, um Macht und Ohnmacht einmal mehr sichtbar zu machen. Am Ende inspirierte sie mit Gedanken der Philosophin Chantal Jaquet und deren Begriff der Komplexion.

Die Keynote ist hier nachzuhören >


Eine Initiative des Drehbuchforum Wien und des Österreichischen Filminstituts/gender*in*equality